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  • 21. August 2020

Bericht in der NW vom 18. August 2020 von Jürgen Krüger

Laufsport: Das drohende Ende der beliebten Mühlenkreisserie ist abgewendet. Jörg Holle vom ATSV Espelkamp übernimmt die Organisatorenrolle für Oliver Neidiger. 2021 soll die Serie mit neun statt acht Rennen durchgeführt werden

Minden/Espelkamp. Oliver Neidiger gibt ab, Jörg Holle übernimmt: Für die Zukunft der Mühlenkreisserie sind die Weichen gestellt worden. Mit Neidiger gibt der langjährige Organisator der Volkslauf-Serie nach 14 Jahren das Zepter aus der Hand, mit Holle geht künftig ein Läufer des ATSV Espelkamp voran. Damit können die Läuferinnen und Läufer nach der hoffentlich nur einjährigen Corona-Pause in der nächsten Saison wieder durchstarten. Die Serie wird zudem von acht auf neun Läufe aufgestockt. Der Friedewalder Mühlenlauf (Christi Himmelfahrt) kommt dazu.

14 Jahre in der 1. Reihe: Oliver Neidiger (Mitte, hellblaues Trikot) hat die Organisation der Mühlenkreisserie abgegeben.

Seit 14 Jahren ist Oliver Neidiger das Gesicht der Mühlenkreisserie. Das weiß der 53-Jährige natürlich, auch wenn es ihm gar nicht so recht ist. „Das ist ja nicht meine Serie“ sagt er. „Sie gehört den Veranstaltern und Sportlern.“ In diesem Jahr fiel die beliebte Laufserie im 30. Jahr wegen Corona erstmalig ins Wasser. Was umso betrüblicher ist, da der Mindener die Verantwortung aus der Hand gibt. Die Suche nach einem Nachfolger dauerte länger als erwartet. Zwischenzeitlich wurden daher Befürchtungen laut, die Veranstaltungsserie könnte eingestampft werden.

Vielleicht hatte der ein oder andere geglaubt, Neidiger würde zurückrudern und weitermachen, wenn sich niemand fände. Doch sie irrten. „Wenn ich erstmal einen Entschluss gefasst habe, dann stehe ich auch zu meinem Wort.“ Bereits im Jahr 2018 hatte er seinen Rückzug angekündigt. Doch in Sachen Nachfolge rührte sich lange Zeit nichts. „Das Mühlenkreisserienkonto wird aufgelöst, die Internetseite zum Jahresende gekündigt“, schreibt Neidiger im Juni nach der Generalabsage der Laufserie per E-Mail an die veranstaltenden Vereine. Die antworten mit reichlich Dank und Lob für den Organisator, aber auch der blanken Angst zwischen den Zeilen, dass die Mühlenkreisserie nun sang- und klanglos den Bach heruntergeht.

Achim Hagemeyer vom ATSV Espelkamp, 14-maliger Sieger der Mühlenkreisserie über 10 Kilometer (Serie 1), nimmt den Vorschlag des Portaners Klaus-Dieter Vogt auf, ein Treffen zu organisieren, um eine Lösung zu finden. Daraus macht Neidiger eine Doodle-Terminabfrage – und siehe da: Anfang August kam es zu einer Gesprächsrunde mit den Laufveranstaltern Gesine Schmidt (OTSV Preußisch Oldendorf) Wolfgang Ulrichs, Rüdiger Nierste (Lübbecker Berglöwen), Ralf Aumann (TG Werste), Claudia Heiden (Friedewalde), Martin Huber (Eisbergen), Achim Schulte (1860 Minden), Dirk Meyer (TuS Wasserstraße), Klaus Vogt (SC Nammen) sowie Hagemeyer und Jörg Holle. Hier wurde die Fortsetzung der Serie besprochen – mit Holle als künftigem Organisator.

Jörg Holle vom ATSV Espelkamp übernimmt die Aufgabe.

Der 56-Jährige ist seit Beginn der Laufserie als Sportler dabei, hat in der 30-jährigen Geschichte auch schon mal eine Altersklassenwertung gewonnen. „Aber damals waren noch nicht so viele Starter dabei“, sagt er. Beruflich ist Holle als Fluglotse bei den Heeresfliegern in Bückeburg tätig, sportlich hat er den Weg vom Handball zum Laufen gefunden. Nun nimmt er die Zukunft der Mühlenkreisserie in seine Hände. Auf sich alleine gestellt ist er nicht: Holle soll Unterstützung von Rüdiger Nierste (Berglöwen) bekommen. Auch Neidiger wird in der Übergangszeit mit Rat und Tat zur Seite stehen. „Das gehört sich ja wohl so. Gemeinsam werden wir es schaffen“, sagt der Mindener, der vom Fußball kommt. Doch während der Bundeswehrzeit in Flensburg verliert Neidiger den Ball aus den Augen und aus dem Sinn. Familie und Beruf gehen vor. Er ist 37 Jahre alt, als er sich auf einem Foto von der Seite sieht. Da schlägt’s 13. „Ich wollte auf keinen Fall mit einem Bierbauch herumlaufen. Damals wog ich 87 Kilo und mir war klar, dass ich etwas ändern muss.“ Er schließt sich im Jahr 2004 einer Trainingsgruppe an, die sich innerhalb eines dreiviertel Jahres auf den Rose-Marathon vorbereitet. Zum Einstieg gleich ein Marathon? „Kann ich nicht empfehlen“, sagt Neidiger heute. „Danach konnte ich durch den vielen Muskelkater mindestens eine halbe Woche nicht richtig gehen.“ Allerdings scheint sich damals ein Talent auf den Weg gemacht zu haben. Der Modellathlet, der heute bei einer Größe von 1,84 Metern nur 71 Kilogramm wiegt, läuft 2005 den Rose-Marathon in 3:22 Stunden. Seine persönliche Bestleistung liegt bei 2:45 Stunden, 2015 in Berlin. „Es geht zunächst einmal darum, Ausdauer zu bekommen. Und die bekommt man am ehesten, wenn man regelmäßig läuft. Zwei, dreimal die Woche. Egal, wie weit. Egal, wie schnell. Und das über einen langen Zeitraum hinweg. Später ist es hilfreich, sich einer Gruppe anzuschließen“, sagt der Mindener.

Dass Neidiger schon 14 Jahre die Serie unter seinen Fittichen hat, war eigentlich so nicht geplant. Sein älterer Bruder Kai hatte ihm im Jahr 2007 vorgeschlagen, gemeinsam die Organisation von Gründer Friedhelm Unland (OTSV Pr. Oldendorf) zu übernehmen. Weil sich die Pläne des Bruders dann aber doch noch einmal ändern, zieht Neidiger das „Ding“ alleine durch. 14 Jahre lang. Genauigkeit hilft beim Bewältigen der Aufgabe. Die Planungen für die neue Serie beginnen, wenn die alte noch läuft. Das ist nun Holles Aufgabe. Auch wenn heute vieles digital erledigt wird, bleibe laut Neidiger einiges zu tun. Pflege der Internetseite, Produktion des Flyers, Kontrolle und Bereinigung der Online-Anmeldungen und Überweisungen, Zusammenstellung der Startunterlagen mit den personalisierten Nummern.

In diesem Jahr waren gute Nerven gefragt – Corona sorgte in der Mühlenkreisserie in den Frühlingsmonaten erst für hektische Betriebsamkeit, dann für Chaos und schließlich Stillstand. Ausgerechnet im Jubiläumsjahr und zu seinem Abschied als Organisator gab es eine „Nullrunde“. Schade, aber nicht zu ändern. Doch der Mindener freut sich auf die neu gewonnene Zeit: „Ich möchte nach 14 Jahren endlich mal die Freiheit haben, mein Jahr so zu planen, dass ich keine Rücksicht auf Lauftermine nehmen muss.“ Neidiger hat ebenso eine Vorliebe für Motorräder. Seine sportliche Passion bleibt aber das Laufen. „Man kann im Wald laufen, im Wiehengebirge, am Kanal. Ich habe durch das Laufen festgestellt, wie schön unsere eigene Region ist und habe viele Menschenkennengelernt, die ich sonst nicht  kennengelernt hätte. Sie haben überwiegend eine positive Lebenseinstellung“, schwärmt Neidiger. Die Serie biete ein schönes Gemeinschaftsgefühl, wie zum Beispiel in Wasserstraße. Er selbst läuft am liebsten zehn Kilometer. „Ich wollte nie mehr als 100 Trainingskilometer pro Woche machen und dann einfach sehen, was dabei herauskommt.“ 2017 hat er die Serie 1 gewonnen. Aus der ersten Reihe verabschiedet sich Neidiger nun, aber er wird sich weiter unter die Läufer mischen.